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24/2016: Einer-Grüppchen

  • Die gerade laufende Fußball-EM beweist wieder einmal verstärkt, über welch eigene, umfangreiche und teilweise sonderbare Terminologie dieser Sport verfügt. Hier ein Auszug:
    Bei einem Pass ins Halbfeld ist keineswegs einfach eine Hälfte des Spielfeldes gemeint. Es gibt eine Doppel-Sechs, aber das ist nicht die Zwölf. Auch eine echte Neun wie Mario Gomez trägt z.B. die Rückennummer 23. Eine hängende Spitze ist keineswegs etwas Schlüpfriges! Manndeckung ist nicht die Zucht der nächsten Fußballergeneration.
    Nicht nur das umstrittene Wembley-Tor (WM 1966) gibt Rätsel auf, sondern auch, ob später (zur EM 1972 wieder im Wembley-Stadion) Günther Netzer aus der Tiefe des Raumes kam. Besonders martialisch klingt die Blutgrätsche, bei der jedoch nicht zwangsläufig Blut fließen muss. Das ist auch gut so, gleichwohl ist es ein brutales Foul. Ein Fliegenfänger ist manchmal zu beobachten. Obwohl dieser (unsichere) Torwart ebenfalls versucht, den Ball zu fangen. Erwähnt wird zuweilen auch das Gegenpressing, was ein Pleonasmus ist, weil Mitpressing wohl schlecht möglich ist. Geht ein Spiel 1:0 aus, spricht man vom Goldenen Tor — auch im Spiel um Platz 3 (Bronzetor?)!
    Eine Kerze bedeutet nicht etwa, dass die Spieler Geburtstag feiern, sondern einen steil nach oben geschossenen Ball. Ein Schuss ans Lattenkreuz trifft eigentlich nur die obere Ecke (!) des Tores. Eine Schwalbe kennzeichnet mitnichten die ornithologischen Kenntnisse der Spieler.
    Ein Fußball-Zwerg in nicht etwa ein winziger Spieler, sondern vielmehr eine vermeintlich schwächere Mannschaft. Eine Flügelzange ist kein Werkzeug mit brachialer Gewalt gegen Vögel.
    Eine Todesgruppe gibt es bei diesem EM-Turnier nicht und sie ist auch sonst nicht lethal. Das gilt auch für den tödlichen Pass.
    Eine Blitz-Tabelle hat weder etwas Meteorologisches noch etwas mit Geschwindigkeitsübertretungen zu tun.
  • Der bei der ARD eingesetzte Experte Mehmet Scholl: „Klar spielt jede Mannschaft auf Sieg, aber wir haben aufs Gewinnen gespielt.“ Ähm — den Unterschied verstehe ich nicht?!
  • Kleinanzeige der Woche (danke Ilonka): „Baugrundstück, erschossen zu verkaufen. Baugenehmigung liegt vor Preis pro qm 190,-€“. Ist der Verkäufer tot?
  • Politikerdeutsch. Hannelore Kraft: „Da gehen wir nochmal in den Kamin.“ Keine Angst, sie wird nicht als Hexe verbrannt — gemeint ist ein Gespräch im Kaminzimmer zur Lösung eines schwerwiegenden Problems.
  • Kindermund der Woche I. „Wir sind hier ganz ausgeschlafene Burschen, oder?“ Emma (8): „Also, ich bin eine Burschin.“
  • Kindermund der Woche II. Emmas Kommentar beim 5000m-Lauf: „Vorn ein Vierer-Grüppchen und danach ein Einer-Grüppchen. Gut, man könnte auch Einzelläufer sagen.“
  • Falscher Bezug: „Nach einer Schiffshavarie auf der Donau mussten die Passagiere evakuiert werden. Der Grund ist noch unklar.“ Also mir ist der Grund für die Evakuierung durchaus klar!
  • Denglisch der Woche: „Wir nehmen das Ergebnis als Teambuildung.“ In der Nachsilbe aus Versehen ins Deutsche abgeglitten.
  • Wenn der Name zum Beruf passt (danke Klaus):
    GutheilZahnarzt
  • Hochschuldeutsch: „Die Hochschule plant im Rahmen des Projektes ‚Aufstieg durch Bildung: offene Hochschule‘ die Einrichtung berufsbegleitender grundständiger Bachelorstudiengänge.“ Zunächst las ich „grundanständig“. Aber was bedeutet das Adjektiv „grundständig“? Lt. Duden gibt es drei Bedeutungen: bodenständig, in der Botanik unmittelbar über dem Boden wachsend und auf der Grundschule aufbauend. Alle drei sind sicher für ein Studium an einer Hochschule unpassend. Aber, ein Adjektiv beschreibt ja auch das Substantiv näher und insofern gibt es eine gemeinsame Bedeutung für ein „grundständiges Studium“: Es handelt sich um einen Studiengang, der zu einem ersten Studienabschluss führt. Ein darauf folgendes (konsekutives) Master-Studium ist hingegen postgradual, setzt also einen grundständigen Studienabschluss voraus.
  • Juristendeutsch. Das Bundesverfassungsgericht: „Die Deutsche Bundesbank darf sich an einer künftigen Durchführung des OMT-Programms nur beteiligen, wenn und soweit die vom Gerichtshof der Europäischen Union aufgestellten Maßgaben erfüllt sind …“ Ich halte das „wenn und soweit“ für eine unnötige Aufblähung eines Satzes. Beides sind Konjunktionen und ließe man eine davon weg, würde der Satz immer noch die gleiche Bedeutung haben. Beide zusammen machen die Satzaussage nicht eindeutiger.
  • Neues Zahlwort (danke Herr Ebel): „… als ein Tsunami dutzendtausende Menschen in den Tod gerissen …“ Sind das Zwölftausende? Gibt es dann auch „Schockhunderte“ (1 Schock = 60 Stück)?
  • Der Bundestrainer: „Er hat immer gute Flanken geschlagen, teilweise.“ Wie jetzt?
  • Physikalisches Wunder(danke Herr Ebel): „Durch die zweite Revolution wurden Entfernungen verkürzt — Menschen können nun zum Mond fliegen.“ Also, die Entfernung Erde - Mond schwankt. Aber das ist schon sehr lange so und keineswegs Ursache einer menschlichen Revolution. Möglicherweise wurde die Zeit verkürzt, die es braucht, um zu unserem Erdtrabanten zu gelangen. Die Entfernung beträgt ca. 384 400km, wobei jährlich etwa 3,8cm hinzukommen.
  • Das nenne ich eine Zuversicht ausstrahlende Meldung während einer Suche:
    SucheWird
    Wird … schon.
  • Neben dem Größenwahn gibt es offenbar auch den Minimalwahn (danke Herr Ebel): „Man muss allerdings beachten,  dass ich die erste Patientin überhaupt bin und mir die maximal niedrigste Dosis genetischen Materials injiziert wurde.“ Das fordert minimal höchsten Respekt!
  • Noch einmal Fußball: „Dem Team von der Insel fehlte oft der letzte Pass.“ Welchen Pass hat die Mannschaft denn vorher gespielt, wenn der letzte fehlte? Das ist doch wie beim Tennis oder Volleyball — den Punkt macht der Gegner nur bei einem letzten „Versagen“ der anderen Seite. Insofern fehlte wohl nicht der letzte, wohl aber der entscheidende Pass.
  • Homonym der Woche: der Ausdruck (danke Klaus). Sie Sprache kennt den Ausdruck, aber die Mathematik und die Informatik auch. In der Psychologie gibt es ihn und in der Kunst. Und schließlich bewerkstelligt der Drucker auch einen Ausdruck.