- Vorweihnachtszeit
- es werden wieder mehr Märchen vorgelesen, hoffe ich zumindest. Wenn man sich
einen dicken Band der guten alten Brüder Grimm vornimmt, so fällt sprachlich
nicht nur auf, dass dort jede Menge inzwischen altmodische Begriffe und
Wendungen benutzt werden. Grammatikalisch spielt freilich die Zeitform
Präteritum, also die Vergangenheit die entscheidende Rolle. Fast schon
eigenartig mutet die Benutzung deshalb an, weil nicht wie heute zumeist
gebraucht, ein quasi sittsam aus dem Englischen übernommener eingedeutschter
Present Perfect verwendet wird. Beispiele? Gern: "Was hast du heute früh
gegessen?", "Welchen Film habt ihr euch gestern angesehen?",
"Ich bin vorgestern schon früh ins Bett gegangen." und "Ich habe
letzte Nacht kein Auge zugemacht." Caesar sprach schließlich auch nicht:
"Ich bin gekommen, ich habe gesehen und habe gesiegt." Aber gebt zu,
wenn wir heute folgende Sätze formulieren, wie "Ich sah mir gestern den
Tatort an." oder "Ich aß Jogurt zum Frühstück." oder "Ich
schlief letzte Nacht ausgezeichnet." dann mutet das etwas komisch an. Aber
eigentlich ist daran nichts auszusetzen - grammatikalisch ist alles sauber und
inhaltlich versteht es auch ein jeder, oder?
- "Ich
habe mir also mal die aktuellen (noch geschätzten) Umsatzvolumen…"
Der Plural mancher Fremdwörter ist offenbar trickreich, der von Volumen lautet
Volumina. Wenn man sich nicht sicher ist, kann man immer auch die deutschen
Begriffe nutzen. Beispiele: Aquarium --> Fischgläser, Globus -->
Weltkugeln;-)
- Die
TA übertitelt einen Polizeibericht: "Safe im Autohaus aufgeflext"
Aha - man kann nicht nur "kärchern", sondern auch "flexen"
bzw. sogar "aufflexen". Der Name des Herstellers oder Gerätes wird
also als Verb benutzt. Weiter gedacht hieße das: "Ich excele mal diese
Zahlen." und "Photoshoppen Sie dieses Bild, bevor Sie es
verwenden." und "Kaufen Sie noch oder ePagen Sie schon?"
- Neue
Begriffe in der Ausgabe 25 der Internet World Business:
- Es
gab eine Umfrage über "Zahlungsstörungen". Ich dachte, man
zahlt oder eben nicht. Aber wir erfahren, dass ähnlich Verdauungs- oder
Verkehrsstörungen die Gründe oder Ursachen für die nicht getätigte Bezahlung
der Ware gefragt waren. Sieht man sich allerdings manche Gründe genauer an
(Adresse falsch oder Annahme verweigert), so stehen diese nicht unmittelbar mit
der Zahlung in Zusammenhang. Vermutlich bilden sich bei häufigen Vorkommnissen
dieser Art vor dem PC des Händlers aber atmosphärische Störungen.
- "eBay
und T-Mobile partnern" Freilich gibt es das Wort
"Partnern", z.B. in dem Satz: "Es ging um die Zusammenarbeit mit
mehreren Partnern." (In diesem Fall Dativ, Zusammenarbeit mit wem.)
Aber als Verb? Komischerweise stört es vermutlich wenige Leser, da es um zwei
Firmen geht. Aber wenn der Standesbeamte demnächst spräche: "Möchten Sie
mit dem hier anwesenden Max Mustermann partnern?" Oder in der
Sportschau kündigt man die Mannschaftsaufstellung an mit: "Im Sturm partnern
wieder Toni und Klose." Das gäbe zumindest Anlass zu Spekulationen.
- In
nahezu jeder Stadt gibt es Häuser aus der Gründerzeit. Interessant, dass
ein bestimmter Zeitraum wirtschaftlichen Aufschwungs (im 19. Jahrhundert bis
zum großen Börsenkrach 1873) einen solchen Namen trägt und behält. Als wäre
davor oder danach nichts mehr gegründet worden. Insbesondere Ende der 1990er
Jahre und nach 2000! Zugegeben waren zu viele dieser Gründungen auf Sand
gebaut. Aber im guten Business-Denglisch werden wir bestimmt demnächst von der
"Start-Up-Ära" sprechen.
- Homonym
der Woche: der Stollen. Grundsätzlich natürlich der Gang im Bergwerk. Neben
weiteren Bedeutungen im Zusammenhang mit Schuhen, Hufeisen, Ilmenau, Literatur
und Tischlereien (http://de.wikipedia.org/wiki/Stollen) möchte ich
den vorweihnachtlichen Bezug nutzen und auf das mittlerweile über das
Erzgebirge hinaus populäre Gebäck hinweisen. Dieser Stollen heißt so, weil er -
aufgeschnitten - wie der Eingang zum Bergwerksstollen (Mundloch genannt) im
Winter aussieht (die Form). Der Puderzucker symbolisiert den darauf liegenden
Schnee und die Rosinen das im Erzgebirge früher abgebaute Silber. Heiligabend
fand eine sog. Mettenschicht statt. Der Steiger, der Chef der Bergleute, hielt
eine Predigt im sog. Huthaus und dann gab's ein einfaches Essen (Bratwurst,
Kartoffelbrei und Sauerkraut), Kräuterschnaps und eine Zigarre. Ob die
Bergleute Stollen im Stollen aßen, ist mir nicht bekannt.
So, das waren für
2007 die letzten Deutschthemen. Ich freue mich auf 2008 und möglichst viele
unterhaltsame kleine und große Tücken in unserer Sprache. Und darauf, dass ihr
als Leser etwas Spaß daran habt - Resonanz in Form von Kommentaren und
Hinweisen jederzeit erwünscht.